Esther Dischereit, geboren am 23. 4. 1952 in Heppenheim an der Bergstraße als Tochter einer jüdischen Mutter, die das „Dritte Reich“ in Deutschland im Versteck überlebt hatte, und eines nichtjüdischen Vaters. 1972 Staatsexamen für das Lehramt; an- und ungelernte Tätigkeiten, Fließband- und Akkordarbeit, Nacht- und Schichtarbeit, Bildschirmarbeit; abgeschlossene Schriftsetzerlehre. Bis 1994 Gewerkschaftsreferentin für die Gewerkschaft ÖTV. Lebt in Berlin. 1995 Fellow am Moses-Mendelssohn-Zentrum, Potsdam; Lehrtätigkeit im Bereich Europäisch-Jüdische Studien an der Universität Potsdam.
* 23. April 1952
von Petra Günther
Essay
Esther Dischereit hatte zunächst ein Kinderbuch vorgelegt – „Anna macht Frühstück“ (1985) schildert die Schwierigkeiten eines kleinen Mädchens, ein Frühstück zuzubereiten –, bevor sie mit „Joëmis Tisch“ (1988) schriftstellerisch an eine breitere Öffentlichkeit trat.
Der vom Verlag mit dem Untertitel „Eine jüdische Geschichte“ versehene Prosatext beginnt mit den Sätzen: „Da sitze ich auf diesem blöden Drehstuhl. Nach zwanzig Jahre Unjude will ich wieder Jude werden. (…) Das Kainsmal der Geburt, vergessen unter Wassern von Sozialismus, schimmert es durch meine Haut.“ „Joëmis Geschichte“ erzählt jedoch keineswegs geradlinig aus der Ich-Perspektive eine jüdische Geschichte, sondern der Text zerfällt in beinahe fünfzig Abschnitte, darunter Interviews, Reiseeindrücke, Briefe, Erinnerungen. Geschlecht, Name, Identität der Ich-Instanz werden bewusst unsicher gehalten, die zeitliche Orientierung wird dem Leser erschwert. ...